Über Quereinstieg, Kreißsaalschließungen und den Personalnotstand in der Pflege

In unseren Grünen Gesprächen kommen unsere Mitglieder miteinander ins Gespräch. Junge Mitglieder treffen auf alte „Häs*innen“, Politikeinsteiger*innen auf Abgeordnete, Schöneberger*innen auf Lichtenrader*innen. In dieser Ausgabe spricht Neumitglied Lea Morgaine Weber (LMW) mit unserer Abgeordneten für Schöneberg-Süd Catherina Pieroth-Manelli (CPM). Wer Lust hat, selber mal ein Gespräch zu führen, meldet sich unter presse@gruene-ts.de.

 

LMW: Als selber noch recht neues Mitglied interessieren mich die Beweggründe, die dazu führen, dass Menschen Mitglied in einer Partei werden. Kannst du mir etwas zu deinem Parteieintritt bei den GRÜNEN erzählen?

CPM: Ich habe seit ich wählen durfte immer GRÜN gewählt und auch immer GRÜN gelebt. Damals konnte ich mir aber noch nicht vorstellen, einer Partei beizutreten. Erst mit 44 bin ich Mitglied geworden. Ich habe also nicht die klassische Biographie einer Politikerin, Klassensprecherin, Grüne Jugend, mit 21 im Abgeordnetenhaus sitzen… Bei den GRÜNEN kann man auch als Quereinsteigerin viel erreichen!

LMW: Ich habe oft das Gefühl, dass in der derzeitigen medialen Debatte Migration und Geflüchtete eine übergeordnete Rolle spielen. Wie können wir andere wichtige Themen wie bezahlbares Wohnen, die Versorgung mit Kitaplätzen oder der Pflegenotstand mehr in den Fokus rücken?

CPM: Politische Arbeit besteht nicht darin Themen erst auseinander zu sortieren und dann wieder zu integrieren. Themen, die Migrant*innen betreffen sind oft für viele andere ebenso relevant. Ich habe mich zum Beispiel dafür eingesetzt, dass eine Clearingstelle, die zunächst für Migrant*innen ohne Krankenversicherung geplant war, für alle Menschen mit ungeklärtem Krankenversicherungsschutz offen ist. Das sind zum Beispiel auch nicht-versicherte Soloselbstständige. (Anm. der Redaktion: Die Beratungsstelle befindet sich in der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße und hat am 9. Oktober ihre Arbeit aufgenommen.)

LMW: Ein Thema, das derzeit wichtige Aufmerksamkeit erhält ist der Personalnotstand in der Pflege, in den Kitas und auf Geburtsstationen. Viel diskutiert werden feste Personalschlüssel…

CPM: Am besten wir hätten im Zuge der Verwaltungsreform in Berlin eine*n Staatssekretär*in für Personal eingestellt… Wir müssen den Bedarf wirklich kennen. Bei Operationen zum Beispiel müssen wir auch die Vor- und Nachsorge bedenken. Gesundheit ist ein Gerechtigkeitsthema, es darf nicht vom Geldbeutel abhängen, welche gesundheitliche Versorgung Menschen erhalten.

LMW: In den letzten 20 Jahren mussten 40% der Geburtsstationen schließen wie die Landkarten für Kreißsaalschließungen (Anm. der Redaktion: http://www.unsere-hebammen.de/mitmachen/kreisssaalschliessungen) zeigt. Die häufigsten Gründe dafür sind Personalnotstand und Wirtschaftlichkeit. Warum muss die Gesundheitsvorsorge in einem reichen Land wie Deutschland von der Wirtschaftlichkeit abhängen?

CPM: Auf Landesebene konnten wir zum Glück schon einiges erreichen: Wir bilden 360 Hebammen mehr aus, leider haben wir jetzt festgestellt, dass Räumlichkeiten und Lehrpersonal fehlen. 20 weitere  Millionen Euro zusätzlich zu den rund 150 Millionen Krankenhausfinanzierung geben wir als Land Berlin für Strukturmaßnahmen in Geburtskliniken aus. Ich setze mich für hebammengeleitete Kreißsääle ein. Schwangere sollen ihre Hebammen vor der Geburt kennenlernen können, bisher ist das nur Frauen vorbehalten, die sich das leisten können. Ich möchte außerdem eine Online-Plattform einführen, über die Familien Hebammen finden können und diese finanziell festschreiben.

LMW: Eine letzte Frage: Wie kann ich als Neumitglied möglichst effektiv politisch etwas bewirken, wenn ich nicht nur Online-Petitionen unterzeichnen möchte?

CPM: Es ist super, wenn man sich mit drei, vier Leuten zusammenschließt und kleine direkte Aktionen plant. Das macht am Anfang auch am meisten Spaß und was einem Spaß macht, das lässt sich auch am besten transportieren! Diese Ampeln da vorne (Anm. der Redaktion: Ecke Hauptstraße/ Vorbergstraße/Helmstraße) stehen da, weil wir vor einem dreiviertel Jahr hier in Eiseskälte einen Zebrastreifen-Teppich über die Straße gelegt haben. Für solche Aktionen kann man sich auch super mit einer Abgeordneten zusammen tun, also – falls du eine gute Idee hast, ich bin immer dabei!

 

Lea Morgaine Weber (26) wohnt in Berlin-Mariendorf und ist seit März 2018 bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie studierte Ethnologie und Politikwissenschaft, der Titel ihrer Bachelor-Arbeit war „A Discourse Analysis of the Medicalization of Birthcare and Midwifery in Germany Today“.  Sie interessiert sich besonders für die Themen Frauengesundheit, Feminismus und LGBT+.

Catherina Pieroth-Manelli (51) sitzt seit September 2016 als direkt gewählte Abgeordnete für Schöneberg-Süd im Abgeordnetenhaus von Berlin. Sie ist Sprecherin für Gesundheitspolitik und Drogenpolitik. Unter dem Motto „Mitreden und Mitgestalten im Kiez“ lädt sie regelmäßig zum Forum Schöneberg in ihr Wahlkreisbüro in der Hauptstraße 8 ein.

Das Gespräch fand am 22.8.2018 statt.

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